Baugrund ausschreiben / Absprungbasis für den Vertrag

Fuchs/ Maurer/ Schalk fassen im im „Handbuch Tiefbaurecht“(Verlag C.H. Beck OHG; 2023) , Kapitel 3, ab RdNr. 125 das Thema Baugrund in der Ausschreibung zusammen. Es ist also eine eindeutige Beschreibung der Baugrundeigenschaften und des Baugrundverhaltens bezogen auf das einzelne exakt gewählte Bauverfahren vorzunehmen. Dabei soll nichts zu stark vereinfacht oder zusammengefasst werden. … Unklare Sachverhalte sind klar zu benennen und hierfür Vorsorge in der Abrechnung zu treffen.“

Weitgehend treffen wir als Ausführungsplaner der Baubetriebe im Tief- und Spezialtiefbau auf die Praxis, dass in der Leistungsbeschreibung/ Baubeschreibung eine Zusammenfassung zu den Baugrundverhältnissen eingefügt ist, die über die allgemeine Zusammenstellung der erwarteten Schichtung im Untergrund nicht hinauskommt. In den Planunterlagen sind häufig Schichtenprofile aus der Erkundungsphase eingefügt. Im Ganzen wird auf den Anhang verwiesen, in dem die Baugrundgutachten und Ergänzungen der Verdingungsunterlage beigefügt sind.

In den Baugrundgutachten ist eine Beschreibung der Bodenverhältnisse zu erwarten, wie sie in der Erkundungsphase durch den Baugrundgutachter vorgefunden wurden. Im Empfehlungsteil der Baugrundgutachten zur Hauptuntersuchung nach DIN 4020 sind dann Gründungsvarianten, Hinweise zur Gestaltung von Verkehrsanlagen und Leitungsgräben, zur Ausführung von Baugruben und Verbau etc. weitgehend allgemein gegeben. Das kann natürlich auch nicht anders sein, weil die Baugrundgutachten mit Beginn der Leistungsphase 3 (Entwurf) aufgestellt werden. Die konkrete Planung des Bauwerkes ist dann noch nicht fertig und auch die Bauverfahren werden später gewählt und spezifiziert.

Der Planer gibt die konkreten Bauverfahren erst in der Ausschreibung vor oder überlässt die Auswahl auch eher dem Baubetrieb. Hier ist eine konkrete Beschreibung des erwarteten Baugrundverhaltens selten anzutreffen. Die Beschreibung der Eigenschaften des Baugrundes konkret bezogen auf das Bauverfahren und Definition der erwarteten Reaktionsweise mit Abklärung der Folgen z.B. auf Nachbarn, den Baugrund selbst, die Bautechnologie etc. fehlt häufig.

Abbildung 1:
Wieder einmal etwas andere gefunden als vorher gedacht? Und nun diskutieren ...?

Abb.: „Wieder einmal etwas anderes gefunden als erwartet?“; „Und nun diskutieren ..?“

Der Planer bringt den Bauherrn damit in eine schwierige Situation (Quelle s.o; vgl. RdNr. 128). Die Bieter werden also nicht mehr in einem transparenten Verfahren nach Leistungsfähigkeit ausgesucht. Die Bieter treffen Annahmen und später in der Ausführungsphase sind wir als Ausführungsplaner gefordert, erkannte Lücken in der Baugrundspezifikation zu schließen bzw. die Überraschungen durch Umplanungen zu meistern. Dem Bauunternehmer wird dann in der Kommunikation häufig unterstellt, nur vergütungsorientiert zu sein und eine Spekulation auf „mehr Geld“ vorgenommen zu haben. Natürlich helfen wird dem Bauunternehmer mit unserer Expertise auch in der Kommunikation zum Bauherren, Planern, Projektsteuerern, Bauüberwachern und Nachbarn. Anstrengend wird es nach unserer Erfahrung für alle Beteiligten in jedem Fall.

„Deshalb sollten Vertrags- bzw. Ausschreibungsmodelle das Baugrundverhalten und seine Auswirkung auf das im Entwurf enthaltene Bauverfahren, klar benennen und für die wahrscheinlichen Abweichungen, Abrechnungspositionen im Bedarf enthalten.“ (Quelle s.o.; RdNr. 129). Und wie geht das?

Wir nutzen als Systematik GBR – GEOTECHNICAL BASELINE REPORT und GTB – GEOTECHNICAL TOOL BOX. Der GBR ist im englischsprachigen Raum Grundlage vieler Bauverträge. Er wird im FIDIC – EMERALD (GREEN) BOOK als Basis von Bauverträgen und spätere Vertragsanpassungen beschrieben. In einer gut lesbaren überblicksartigen und tabellarischen Darstellung wird die vertragliche Baseline/ die Absprungbasis zum Thema „Baugrund- und Grundwasserverhältnisse“ vor Vergabe der Leistungen beschrieben. Dabei erfolgt hier die Definition von Annahmen in der Entwurfsphase zum Baugrundverhalten einschließlich von Berechnungswerten. Wichtig ist die Listung der Bauverfahren mit den relevanten Annahmen zum Baugrund und kurzer klarer Beschreibung der Reaktionsweise des Baugrundes auf Anwendung des Verfahrens.

Als Beispiel soll hier eine Baugrundverbesserung mit Rütteldruckverdichtung dienen. Dabei wären z.B. das Setzungsmaß an der Oberfläche, Entfernung des Setzungstrichters hinter der äußeren Säulenreihe, Zugabemenge an Verschüttgut, Verbesserungsfaktor für die Gründungsberechnung, Ausbreitung der Schwingungen mit Abbau der Schwinggeschwindigkeit, Entfernung zu empfindlicher Bausubstanz, Hindernisse beim Durchfahren, Antreffen des Grundwasserspiegels etc. anzugeben. Das wäre im GBR eine Zeile in einer Tabelle mit Listung der Bodeneigenschaften und Listung der Reaktionsweise jeweils in Anstrichen.

In den meisten Ausschreibungen ist es vergaberechtlich nicht möglich mit Bedarfspositionen zu arbeiten. Der Umfang der Ausarbeitung würde viel Arbeit machen und ggf. mit unklaren Vordersätzen auch zu einer sinnlosen Preisbildung und -spekulationen führen. Im Rahmen der Erarbeitung des GBR definieren wir Baugrundrisiken und Reaktionsweisen des Untergrundes. Es ergeben sich dann bereits wesentliche Reaktionsmöglichkeiten „Was wäre wenn …“. Wir definieren in Bildern und Beschreibungen in Anstrichen die erforderlichen Maßnahmen.

Für den erfahrenen Unternehmer ist dann eine Preisbildung durchaus möglich und eine Vereinbarung des Verhaltens des Baugrundes kann im Aufklärungsgespräch auch noch vertieft besprochen werden. Es ist also zur GTB (Toolbox, Werkzeugkasten) bereits vor Vertragsschluss ein Gesprächsprotokoll entstanden, welches zwischen fairen Vertragspartnern den Vertragspartnern später bei Erfordernis schnell Handlungsfähigkeit verleiht. Wird der Baugrund geöffnet, kann die GTB fortgeschrieben werden. Die Schnelligkeit der Reaktionen auf veränderte Verhältnisse und die gedankliche Vorklärung der wahrscheinlichsten Abweichungen in der vorvertraglichen Bauphase ermöglicht eine „gesunde“ Reaktion und erleichtert dem Bauherren das Zeit-, Nerven -und Geldsparen. Der Bauunternehmer kann schnell umdisponieren, Zusatzaufwendungen begrenzen und trotzdem sein Geld verdienen.

Wir empfehlen also aus unserer Fachsicht als Ausführungsplaner und Geotechniker den Auftraggebern und Planern die Anwendung des Instrumentariums GBR und GTB über die häufig zu frühe und oberflächliche Definition von Homogenbereichen nach VOB/C hinaus bei der Erarbeitung der Verdingungsunterlage.

Den Baubetrieben empfehlen wir, das mit Beginn der Ausführungsplanung bzw. Planung der Baustelle und Baubehelfe die vorliegenden Unterlagen zur Baugrunderkundung nach dem Instrumentarium GBR und GTB aufbereitet und dann wenn erforderlich (also fast immer) in Gespräche mit dem AG eingestiegen wird. Die Abweichung der Realität von der Erwartung ist sicherlich damit nicht zu verhindern, die Reaktionsgeschwindigkeit und die Güte der Entscheidungen sind aber sehr gut beeinflussbar.

Basisfaktor Geotechnik – Mit unserer Expertise einfach, gut und schnell bauen!

Über Baugrubenmanager

Bauingenieur. Geotechniker. Expertise für Baugruben, Standsicherheit, Verbau, Abrechnung, Nachbarrecht ...
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