Veränderung von tonigen Kippenböden

Werden Tagebaue aufgeschlossen und die Kohleflöze für den Braunkohlenbergbau freigelegt, müssen die überlagernden Deckschichten (das sogenannte „Hangende“) abgetragen werden. Die Lockergesteine werden dann in der umgekehrten Reihenfolge der geologischen Schichtung auch auf Flächen in der Nähe der Tagebaustandorte auf „Außenkippen“ abgelagert.

Dabei entsteht dann im Ablagerungsprozess eine ungleichmäßige Schichtung. Bei den Lagerstätten des Böhmischen Beckens sind dann von unten nach oben Hanglehme, eiszeitliche Ablagerungen geringer Mächtigkeit, tertiäre Süßwassersedimente und Tonsteine am Übergang zum Phyllit aufzuschichten. Im Kippprozess, der in der Regel anteilig mit Gurtbandförderer und Abwurf auf Kegel- und Linienkippe erfolgt, entsteht eine Kippenschüttung. Die Mächtigkeit liegt dann in der Regel bei 20m bis 100m. Ist ein Bereich im Tagebau ausgekohlt, wird die Verfüllung der Hohlform als Innenkippe begonnen.

Die Außenkippen werden zum Teil heute nach 20 bis 40 Jahren Liegezeit auch für eine höherwertige Nutzung mit Bebauung vorgesehen. Dann ist der Veränderungsprozess der Kippenböden für die Gründung von Gebäuden und Infrastrukturanlagen eine besondere Herausforderung für die Geotechniker.

Die abgelagerten Böden sind einerseits hochgradig wassergesättigte Sedimente geringer Dichte mit weicher und anteilig sogar breiiger Konsistenz. Andererseits sind im Schüttprozess Konglomerate (Klumpen) von etwa 50cm bis 60 cm Kantenlänge abgeworfen worden, die aus festem und halbfestem Ton bis hin zum Tonstein gebildet werden. Im Makrogefüge entstehen große Porenräume. Dieses Gefüge wird dann physikalisch und auch chemisch beansprucht und steht unter einem Auflastdruck aus dem Eigengewicht des Schüttmaterials. Die Eigensetzung der Kippe beginnt sofort nach Ablagerung. Nach Erfahrungswerten erreicht der kumulierte Setzungsbetrag der Oberfläche bis zu 8% der Kippenmächtigkeit.

Tonsteinkonglomerat im Zersetzungsprozess auf einer Außenkippe in Nordböhmen

Die Konglomerate sind folgenden Veränderungen ausgesetzt:

Zerkleinerung – Wegen des Anstiegs der Feuchtigkeit aus in die Kippe eindringende und sich aufkonzentrierendes Niederschlagswasser beginnt reduziert sich die Festigkeit der „Klumpen“. Die Kantenstabilität nimmt ab. Es kommt zum Bruch infolge der Überlagerungsspannung.

Plastische Deformation – Der Überlagerungsdruck presst Porenwasser aus und beschleunigt nichtreversible Umbildungsprozesse.

Rotation und Verschiebung – Die Konglomerate werden verschoben und gedreht. Dabei werden die Kanten gerundet. Die Kontaktflächen werden auf Reibung und Scherung beansprucht. Klumpen brechen und das Makrogefüge wird somit verändert.

Zunahme der Plastizität – Durch die Durchfeuchtung, das Walken und Kneten durch Bewegung der Brocken und Körner nimmt die Plastizität der Tonkonglomerate zu. An den Kontaktflächen entsteht ein negativer Porenwasserdruck als Saugspannung. Die Feuchtigkeit innerhalb der Tonkonglomerate wird weiter erhöht.

Einspülen von Feinmaterial – Die zerkleinerten Konglomerate werden durch die Wasserführung in der Kippe in tieferliegende oder benachbarte Hohlräume umgelagert. Es kommt zur sogenannten Eigenverdichtung bei hoher Plastizität und es entstehen Bereiche mit sehr geringer Druck- und Scherfestigkeit.

Gewölbebildung – Lokal können sich die Sackungsprozesse innerhalb der Kippe zu Geölben ausbilden. Es entstehen dann überbrückte Hohlräume, die später bei Erweiterung der Gewölbebreite zusammenfallen und sich als Sackungen bis an die Oberfläche einer Kippe durcharbeiten (hochpausen) können.

Chemische Veränderungen – Durch Wasser und Luft werden Mineralien umgebildet. Organische Anteile faulen und zersetzen sich. Salze werden gelöst und ausgewaschen.

Die aufgeführten Prozesse führen zu einer Neuordnung der Kornstruktur und des Makrogefüges der Kippe. Dadurch entstehen auch lokal verschiedene Wasserwegigkeiten im Kippenkörper. Es bilden sich Zonen geringer Scherfestigkeit aus, die dann auch zu aktiven Scherzonen werden. Es wird ein Kriechprozess mit gravitativer Anregung initialisiert. Die Kippe fließt also auch auseinander bzw. hangabwärts. Diese Bewegung führt auch zu einer ungleichförmigen Setzung der Kippenoberfläche. Diese Prozesse laufen langsam und über viele Jahre ab.

Oberflächennah oder bei Öffnung der Kippe für Einschnitte, Baugruben, Rohrgräben etc. werden die schwebenden Wasserreservoire angeschnitten und Transportvorgänge initialisiert, die eine Instabilität der hergestellten Böschungen bewirken können.

Werden die Kippenböden angeschnitten und der Witterung ausgesetzt, verwittern sie äußerst schnell. Es entsteht aus Tonsteinkonglomeraten innerhalb von Wochen ein flaseriges Gefüge, welches dann in Scheiben wie Blätterteig zerfällt. Bei Wasserzutritt werden die Blätter aufgelöst und zu Brei bzw. bei Austrocknung zu Ton- oder Schluffstaub zerfallen und unter Windeinwirkung und vom Niederschlagswasser schnell erodiert.

Das Bauen auf dieser Art von Böden und mit diesen Böden ist für uns als Geotechniker eine große Herausforderung. Eine umfassende Planung der Erdbauwerke und aller einzelnen technologischen Schritte der Baugrundverbesserung mit der dazugehörigen Qualitätssicherung ist essentiell für den Bauerfolg.

Über Baugrubenmanager

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